Freitag, 26. Juni 2015

Egocentric System








Oscar Tuazon
"A Person", 2015
Welche Kunst wir zu Gesicht bekommen ist ja normalerweise eher Zufall. 
Hier ausnahmsweise 

zwei rote Fäden für die zeitgenössische Kunst.

Faden 1:
Politisch korrekt.

Faden 2:
Markt pur. 


Faden 1

Beispiele:

Art Unlimited - die von Gianni Jetzer kuratierte Ausstellung neben der Art Basel.
Und die diesjährige von Okwui Enwezor gestaltete Venedig-Biennale - wenn man den Kritiken* glauben will (JanaBlog war in Basel, aber nicht in Venedig vor Ort).

Gefahr: Kunst bei der es wichtiger ist, aus dem korrekten Land zu kommen oder das korrekte Thema anzusprechen als Qualität zu zeigen.

Qualität: das gewisse Etwas obendrauf. Ein Twist, ein Mehr an Info, ein (gar pfiffiger) Kommentar oder Lösungsvorschlag.

Denn JanaBlog-Meinung: 

Es reicht nicht, einfach typische Flüchtlings-Kochtöpfe aufzuhängen** oder Plastiktüten in Bäumchen zu applizieren als Hinweis auf wohlbekannte globale Probleme.
Das ist einfach auf Nummer Sicher, nur politisch korrekt, mehr nicht.


Pascale Martine Tayou 
"Plastic Tree", 2014

Zu wenig ist auch einfach nur opportunistisch einen wohlbekannten weltweiten Trend zu zitieren, nämlich spielerische vorübergehende Popup-Restaurants zum Mitmachen aufzustellen. In Basel war es die Haupt-"Installation" vor der Messe (wo sonst echte Kunstwerke stehen), gänzlich ohne zusätzlichen Twist. In der Art Unlimited war zur Sicherheit noch eine Teestation mit Hängematten*** vorhanden.

Was reicht, nein, gar
mit das beste Kunstwerk war in Basel 2015 dagegen (vermutlich rein zufällig bei der Art Unlimited, da im Vergleich zum Rest humorvoll):

Das Bismarck-Denkmal des Egos ist eine schnell rotierende Schüssel in der der Künstler "lebt". Sie rotiert tatsächlich so schnell, dass man sich nicht vorstellen kann selber jemals in der Schüssel aufrecht stehen bleiben zu können. 



Julius von Bismarck 
"Egocentric System", 2015

Dieses Werk ist ein herrlich lustiges Symbol der heute angesagten Couch-Surfing-Situation: 
Zwar immer (mindestens in Brooklyn/Berlin/Hongkong) auf Achse zu sein, - aber letzten Endes sich vor allem um die Achse des eigenen äußeren und inneren Standorts zu drehen. Denn die meiste Zeit verbringt der bärtige Kreative/und hier der Künstler am Tisch vor seinem Laptop, am Handy mit Gleichgesinnten.

Ist auch bequemer als losgehen in einer künstlichen Scheiben-Welt die sich wesentlich schneller dreht als von Natur aus. Mit gelegentlichem Schwindel ist in der beschleunigten Welt zwischen Handy, Web und Bett nämlich zu rechnen.

Auch schön ist zu sehen womit das junge globalisierte Airbnb-Wesen materiell so auskommt/was ein Muss ist: es reichen/es sollte schon sein ein Alu-Rollkoffer, ein Mode-Retro-Rucksack, Matratze mit Bettzeug, Smartphone, kleiner Retro-Tisch, Retro-Lampe und die Tasse (handgefilterten!) Kaffee.



Julius von Bismarck 
"Egocentric System", 2015

Faden 2:

Beispiel:

Kunst-Messe, also Art Basel 2015.

Jedenfalls vorerst spiegelt das politisch korrekt Kuratierte so gar nicht den Markt wieder. 

Trend1:

Große Spiegel- und Glas-Labyrinth-Installationen 
die entweder banale Drehtüren abbilden oder eine Selfie-Publikums-Magnet-/Herausforderung für die darin so fortgeschrittene Öffentlichkeit darstellen. Vermutlich geht es darum, nicht nur das beste Selfie sondern auch eins herzustellen, in dem man das Phone nicht im Spiegel sieht.

Ideal also dieses Jahr: Labyrinth in dem man sich zugleich spiegelt.
Und das mindestens einen gewichtigen Titel hat wie:
"A Person"(erstes Bild), oder "Vulvoid".
Hier eine kleine Auswahl:



Dan Graham
"Vulvoid", 2015





Ideal: raumgreifend, labyrinthisch UND aus Spiegeln
Jeppe Hein
"Parallel Mirrors", 2015

Wie großartig aber eine Spiegel-Arbeit auch sein kann, zeigt das folgende Kunstwerk: 




Alicja Kwade
"Light Transfer of Nature", 2015


Je nachdem wie sich der Betrachter hinstellt scheinen die Stäbe wie aus verschiedenen Materialien hergestellt. Magisch!



Alicja Kwade
"Light Transfer of Nature", 2015


Trend 2:

Bronze- oder Marmorbüsten die aussehen wie mit den Händen aus Lehm gemacht
Ja, das ist tatsächlich der Witz der Sache.




Mark Manders
„Model for Fountain“, 2015
Bronze


Trend 3:

Handtücher ansprühen oder zerschneiden um daraus eine Installation oder eine Art Bild zu machen.



Hassan Sharif
"Towel 2", 2013
(30x285x170 cm)

Trend 4, der wichtigste:

Wenig Unbekanntes, Junges, Neues.
Dafür viel von Einigem. In sehr hoher Qualität, aber
vertreten waren fast nur diejenigen, die (finanziell) wirklich Stars des Moments sind.****
Hier nur eine Mini-Auswahl des Repetitiven:

Es gab viel 
gleichartige 
Thomas Ruffs, Franz Wests, 
vielfältige 
Picassos, Louise Bourgeois, 
viele
wunderbare
Olafur Eliassons....


... jetzt andererseits ruhig Blut, alles nur Spaß, denn 

die Art Basel 2015 war einfach großartig!


JanaBlog-Winner:

Platz drei:

Neo Rauch.
Weil er mit seinem Eimern voller Licht das beste gemalte Groß-Bild der Messe geliefert hat.



Neo Rauch
über Galerie Eigen+Art

Platz zwei:

Fussmatten. Von Martin Creed.
Dieses Kunstwerk sieht nicht nach viel aus, wirkt aber ungemein stark wenn man darüber läuft. Es weckt einen neuen Sinn, eine Art Tastsinn der Füße. Es fühlt sich tatsächlich vollkommen differenziert an, wie man auf der Erde wandelt, je nachdem welche Unterlagen man mit den Füßen tritt.



Martin Creed
"Work. No.2315", 2015
(Floor Mats, Dimensions variable)



Martin Creed
"Work. No.2315", 2015
(Floor Mats, Dimensions variable)
  
Platz eins:
Endlich etwas richtig Zeitgemäßes: Computer/Videokunst! Von Tabor Robak.

Irgendwo in der deutschen Provinz hat eine Mittelstands-Firma einen Bildschirm entwickelt, auf den man nicht nur normale Bilder/Videos projizieren, sondern gleichzeitig direkt aufs Glas Weiteres/Kommentare parallel zum Video vorgefertigt, als Quasi-Video "schreiben" kann.

Aber das ist nicht das Wichtigste.

JanaBlog wittert einen neuen Star der Videokunst-Szene denn Tabor Robak hat die Gabe nicht nur genau die richtigen Bilder gleichzeitig zusammenzustellen, mit Symbolen die uns alle nach einer international anscheinend vergleichbaren Kindheit/Sozialisierung ansprechen. Er tut das auch in genau dem richtigen Tempo, ohne grell und überfordernd oder andererseits zu bedächtig zu wirken. 

Wir sind doch dauernd von Bildschirm-Einflüssen umgeben. Höchste Zeit, daraus auch gute Kunst zu machen. Perfekt!



Tabor Robak
"Toys to Life", 2015
Nähere Details bei JanaBlog erfragen
oder bei der Galerie "team (gallery,inc.)"


Tabor Robak
"Toys to Life", 2015
Nähere Details bei JanaBlog erfragen
oder bei der Galerie "team (gallery,inc.)"


Tabor Robak
"Toys to Life", 2015
Nähere Details bei JanaBlog erfragen
oder bei der Galerie "team (gallery,inc.)"










JanaBlog-Lese-Tipp:
Wer über das menschliche Drumherum der Art Basel mitlästern möchte:

** wie Maha Malluh mit "Food for Thought Almuallaqat", 2014, (used aluminium pots)
*** OPAVIVARÀ! "Formosa Decelerator", 2014
**** ähnlich scheint es Gerrit Gohlke im Tagesspiegel empfunden zu haben: http://www.pressreader.com/germany/der-tagesspiegel/20150620/282316793675166/TextView


Ähnliches von JanaBlog:


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