Montag, 23. Juli 2012

Alice samt Wunderland in Hamburg.






Auf der Eintrittskarte: Alice Pleasance Liddell,
 die leibhaftige Inspiration zur Alice, im Sommer 1858.
 Foto von Charles L. Dodgson (Lewis Carroll),
aus der National Portrait Gallery, London
Muss eine Ausstellung über Alice im Wunderland verrückt sein? Also so gestaltet, dass es einem schwindlig wird und man das Gefühl hat, sich, seine Persönlichkeit zu verlieren, so wie Alice im Wunderland? 

Denn das erwartet Herr Haas von der FAZ* und erklärt die Ausstellung der Hamburger Kunsthalle** "Alice im Wunderland der Kunst" für "im großen Stil“ gescheitert.

JanaBlog meint: keineswegs! Und möchte verhindern, dass Hamburger, Feriengäste und Kinder nicht hingehen. Denn JanaBlog hatte viel Spaß, ganz unerwartet: ohne die Alice-Bücher eingehend zu kennen, amüsierte sie sich selbstvergessen fast drei Stunden, die Zeit verflog. Und obwohl sie sich vielleicht manchmal etwas mehr Auszüge aus den Texten von Lewis Carroll wünschte, war deren Kenntnis gar nicht nötig - was diese Ausstellung allen zugänglich macht.

In seiner Identität erschüttert zu werden, die Grenzen zwischen rationaler und irrationaler Welt ausloten, das ist heute ja nichts Neues mehr, wie zu Carrolls Zeiten. Praktisch jede zeitgenössische Ausstellung rüttelt an der Persönlichkeit des Besuchers, wenn sie gut ist.

Dagegen ist diese Schau eine liebevolle Heranführung an die Bedeutung von Alice in der Kunst, und noch wichtiger: eine wunderbare Schnittstelle zwischen ("Kinder"-)Buch und moderner Kunst. Also auch für alle, die sich mit der modernen oder gar zeitgenössischen Kunst normalerweise nicht so leicht tun, und für Kinder wunderschön!

Denn Künstler aller Epochen nahmen Alice als Inspiration, und 250 hochkarätige Werke kann man hier genießen: selbstverständlich die Originalfotos und Illustrationen von Lewis Carroll und John Tenniel, die immer gegenwärtig bleiben, während man die allerersten Alice-Verfilmungen anschaut, in die Wunderland-Welten der Surrealisten eintaucht und sich im beklemmend spießigen Labyrinth von Monika Sosnowska verliert (ein Muss!). Oder einen Kurzfilm von dem tschechischen Surrealisten Jan Švankmajer genießt, oder unter einem sprechenden Über-Hut steht, der einem so einiges einflüstert....

Von den neuesten Arbeiten ist sicher die Videoinstallation von Douglas Gordon die spektakulärste: in diesem Werk namens "Through the Looking Glass" lässt er eine Szene mit Robert de Niro aus dem Film "Taxi Driver" zweimal ablaufen: in einem dunklen Raum steht sich Robert de Niro selbst gegenüber, nämlich in der identischen Szene, die auf der Wand ihm gegenüber abläuft, allerdings: einen Sekundenbruchteil zeitversetzt. Aggressiv redet er sich also wie im Spiegel, wie ein Echo selber an: "Redest du mit mir? Redest du etwa mit mir?", bis er sogar die Waffe zückt...

Soll dies eine Hamburger Alice sein, eine, die
unsere Zeit so richtig aufrüttelt?? Und muss Alice so sein?
Bild: ganz aktuelle Karte von Edgar Platinumcards
.....Und dass der Museumsladen viel von der Merchandising-Palette um Alice anbietet, kann man ihm - wie es Herr Haas auch tut - kaum vorwerfen: es war doch gerade Alice's Autor Lewis Carroll, der eine der ersten echten Merchandising-Maschinerien mit Alice in Gang gesetzt hat - deren Ergebnis man in der Ausstellung auch sehen kann: original Spielkarten, Geschirr, Dosen, Spiele bis hin zu eigenen Briefmarken gab es praktisch sofort nach Erscheinen der ersten Alice-Bücher!

Und wer keine Zeit hat für die Ausstellung selbst, der fahre bitte einfach an der Galerie der Gegenwart vorbei und hebe den Kopf: Das Foto von Alice, das man hier oben, auf der Eintrittskarte der Kunsthalle sieht, lässt im gigantischen Format hängend jeden von leicht unheimlichen Phantasiewelten träumen....

           …und schon hat Alice mit ihrem Wunderland nicht nur die Kunst, sondern alle erreicht!















**die von der Tate Liverpool konzipiert wurde und noch bis 30.9.2012 läuft






Beliebtes zur Kunst von JanaBlog:
http://janablog1.blogspot.de/2012/07/klammern-sammeln.html

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